Hamburg. Kriege, Klimawandel & Co. haben Auswirkungen auf die seelische Gesundheit von Heranwachsenden. Expertin klärt über Therapie auf.

Krieg in Israel, Kämpfe in der Ukraine, Klimawandel, Inflation, Folgen der Corona-Pandemie. „In den Köpfen unserer Kinder ist sehr viel los, viele Seelen leiden still. Auch wenn es Kindern in Hamburg und in Deutschland insgesamt natürlich noch vergleichsweise gut geht“, sagt Katja Hünemörder. „Doch allein angesichts der globalen Krisen bin ich froh, dass ich selbst im Jahr 2023 kein Kind mehr bin. Die Herausforderungen der Zukunft sind groß, das belastet“, so die Heilerziehungspflegerin vom AsklepiosKlinikum Harburg.

Dort ist Katja Hünemörder stellvertretende Leiterin der offenen Jugendstation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Tageskliniken in Harburg und Osdorf, wo sie derzeit überwiegend tätig ist.

Jedes dritte Hamburger Kind zwischen sechs und 14 Jahren empfindet Stress, hat depressive Neigungen oder andere psychische Auffälligkeiten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Barmer Krankenkasse. „Leistungsdruck, Erwartungen der Eltern, der Druck, in den sozialen Medien zu performen – diese Stressfaktoren betreffen alle. Aber in einem Stadtteil wie Osdorf, der zumindest in Teilen sozial schwach ist, kommen noch ganz konkrete wirtschaftliche Sorgen hinzu: Behält Papa seinen Job? Könnte ich mir überhaupt ein Studium leisten?“

Asklepios-Tagesklinik Osdorf: Kinder mit Ängsten bekommen hier Hilfe

Tatsächlich seien es vor allem Ängste, mit denen die jungen Patienten in die Klinik kämen, sagt Katja Hünemörder: „Corona hat das verstärkt. Viele hatten sich so sehr an die eigenen vier Wände gewöhnt, dass es ihnen plötzlich schwerfiel, wieder in die Schule zu gehen, wieder mit anderen Menschen zu interagieren.“

Dann gebe es Kinder, die ein auffällig aufsässiges, teils aggressives Verhalten zeigten. „Das ist oft eine Spirale der Wut. Die Eltern sind selbst gestresst und mit den Ausbrüchen des Kindes überfordert. Sie reagieren harsch, der Konflikt eskaliert“, sagt die erfahrene Heilerziehungspflegerin, die 1998, als sie selbst an Typ -1-Diabetes erkrankte und deshalb in Schwerin auf einer Kinderstation behandelt wurde, erstmals mit dem Berufsbild in Berührung kam. „Damals habe ich schon gedacht: Das gefällt mir. Ich möchte später auch mal Kindern, die es aus verschiedenen Gründen nicht leicht haben, helfen.“

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Oft habe sie auch mit jungen Patienten zu tun, die über verschiedene somatische Beschwerden klagten, für die es jedoch keine körperliche Ursache gebe. Meist seien es Kinderärzte, Sozialarbeiter oder Pädagogen, die den Familien empfehlen, sich Hilfe zu holen. „Ganz oft sind es aber auch die Eltern selbst, die merken, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Manchmal verspüren sie dann allerdings eine Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, weil sie sich selbst Schuld an der Situation geben – nach dem Motto: Was habe ich bloß falsch gemacht?“

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Auf der Station in der Asklepios-Tagesklinik Osdorf werden immer zehn junge Patienten behandelt, die meisten bleiben für ungefähr drei Monate. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen. „Viele Kinder und Jugendliche führen danach noch ambulant eine Gesprächstherapie weiter“, sagt Hünemörder.

Asklepios-Tagesklinik Osdorf: Dankesbriefe der Patienten rühren und motivieren

Neben dem therapeutischen Anteil mit Gesprächstherapien für die jungen Patienten und deren Eltern seien Familienarbeit und vor allem das pädagogisch-pflegerische Angebot, von Fußball über Schwimmen bis hin zu Kunst- und Ergotherapie, für den Behandlungserfolg entscheidend.

Das Schönste sei, erzählt Katja Hünemörder, wenn das Team Rückmeldungen von früheren Patienten bekomme. „Wenn jemand in diesem Dankesbrief schreibt, dass er gerade seine Ausbildung beendet hat oder jetzt studiert, dann freut und motiviert uns das.“